8 Fragen an… Thomas Hirschmann, über den Einfluss datengetriebener Customer Insights für eine exzellente Kundenreise

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Date Published

24/03/2023

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10 Minuten

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Thomas Hirschmann | Alexa Brandt

Thomas Hirschmann, Gründer und Geschäftsführer von Behavioural Economy und CoreCortex, ist Experte für verhaltensdatengestützte Innovationsberatung und AI-powered Innovation. Mit seinen Unternehmen bietet der Diplom-Psychologe zum einen datengetriebene Zielgruppen-Analysen und Trend-Insights an, die auf einem tiefen Verständnis für die Endkunden basieren. Zum anderen setzt er auf generative KI-Technologie, um daten- und AI-gestützt neue Produkte und Services zu entwickeln. Durch seine Erfahrung und Expertise hilft er Unternehmen dabei, die Customer Journey ihrer Kunden zu verbessern und so die Kundenbindung zu stärken. In Zusammenarbeit mit Capita hat er beispielsweise den Kunden-Onboarding-Prozess für ein deutsches Telekommunikationsunternehmen komplett neu aufgesetzt. Im Interview erklärt er, wie und warum Unternehmen die Reise ihrer Kundinnen und Kunden ab dem ersten Tag positiv gestalten können – und sollten.

 

Alexa Brandt: Das Leitmotiv Ihres Unternehmens Behavioral Economy lautet: „Every audience is unique. Let’s treat them like it.” Was bedeutet das mit Blick auf das Thema Customer Centricity und Customer Journey?

Thomas Hirschmann: Auch Kundinnen und Kunden sind zuallererst Menschen, und jeder Mensch ist einzigartig und besonders in seinen Wünschen, Interessen und Bedürfnissen. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung des Lebens stellt das allerdings ein immenses Potential für das tatsächliche datengetriebene Kennenlernen eben dieser echten menschlichen Interessen und Hintergründe dar. Wir alle sind zusehends offen und transparent auf vielen digitalen und sozialen Plattformen unterwegs und hinterlassen dort unsere Meinung, unser Feedback, unsere Kommentare oder Posts. Diese Informationen können – auch mittels KI – immer besser für kundenzentrierte Angebote und Ansprachen genutzt werden.

Alexa Brandt: Eine exzellente Customer Journey startet ja bereits mit der ersten Kontaktaufnahme. Warum ist aus Ihrer Sicht eine gelungene Welcome Journey so wichtig?

Thomas Hirschmann: Es gilt das Gleiche wie im „echten Leben“: Der erste Eindruck kann nicht wiederholt werden und ist dementsprechend kritisch. Unternehmen sollten daher besonders auf das Onboarding und die initiale Zufriedenheit ihrer Kundinnen und Kunden achten, um sie langfristig glücklich zu machen und entsprechend loyal an sich binden zu können.

Alexa Brandt: Was sind denn typische „Fehler“ von Unternehmen, wenn Neukunden mit ihnen in den Kontakt treten?

Thomas Hirschmann: Die möglichen Fehler sind vielseitig und unter Umständen weitreichend. Unter den häufigsten findet man unter anderem Missgriffe wie eine unpersönliche Ansprache – der Customer wird als „Nummer“ behandelt – oder eine pauschale Ansprache – der Customer wird in eine „Schublade“ geschoben und aufgrund eines willkürlichen Merkmals stereotyp behandelt. Auch ein fehlender initialer Kontakt, eine nicht vorhandene oder restriktive Kommunikationskultur, wo0 der Customer eine Nachricht von einem „no-reply“ E-Mail-Account bekommt, spielen da hinein. Oder aber, es gibt für die Kundin bzw. den Kunden keine Möglichkeit, in den Kontakt mit einem Menschen zu treten. Auch ungefragte Upselling-Angebote, ohne dass das initiale Angebot hinreichend getestet und für gut befunden wurde, können als unpassend empfunden werden. Gleiches gilt für eine unkoordinierte Kommunikation, wenn also Kundinnen oder Kunden Nachrichten von verschiedenen Stellen im Unternehmen erhalten, die untereinander weder zeitlich noch inhaltlich koordiniert sind.

Alexa Brandt: Welche Methoden werden eingesetzt, um eine Welcome Journey zielgerichtet zu gestalten? 

Thomas Hirschmann: Zum einen gibt es die Möglichkeit von Journey Mapping, also die bewusste Planung der Touchpoints und Zeitpunkte jedes einzelnen Kommunikationsangebots an die Kundinnen und Kunden. Zum anderen hilft eine Zielgruppen-Segmentierung dabei, eine personalisierte Ansprache zu ermöglichen. Auch hinreichend flexible Angebote zu Kanälen und Häufigkeiten der Kommunikation sollten bereits bei Vertragsschluss offeriert werden.

Darüber hinaus nützlich ist die Methode von Customer Journey Testing & Optimisation. Das bedeutet, dass entsprechende Test-Teams selbst die verschiedenen Stationen der Journey durchlaufen, um so Schwachstellen zu identifizieren und die Kundenreise zu verbessern.

Kontinuierliches Feedback bei der Kundschaft abzufragen und fortlaufend hinsichtlich entsprechend relevanter Metriken (Kundenzufriedenheit, NPS Score usw.) zu tracken und zu analysieren, stellt eine weitere erprobte Methode dar.

Alexa Brandt: Worauf ist bei alledem aus Ihrer Sicht besonders zu achten?

Thomas Hirschmann: Kundinnen und Kunden sind keine Maschinen und lassen sich auch nicht auf Kaufwahrscheinlichkeiten oder einen Customer Lifetime Value reduzieren. Daher muss insbesondere die menschliche, verhaltensrelevante Seite der Journey immer genau analysiert und verstanden werden.

Dabei ist besonders zu beachten, dass Kundinnen und Kunden oft viele andere tagesaktuelle Probleme lösen müssen und ihre Aufmerksamkeit daher begrenzt ist. Besonders vor dem Hintergrund eines diversen Spektrums an möglichen Kundinnen und Kunden ist es essenziell, klar, einfach und präzise zu kommunizieren und die Journey so nutzer*innenfreundlich wie möglich zu gestalten.

Alexa Brandt: Wie aufwändig ist denn ein solcher Prozess? Gibt es da eine grobe Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen?

Thomas Hirschmann: Der Aufwand ist nicht gering, da wirklich jeder Kundenkontaktpunkt und jedes Kommunikationselement genau analysiert und verstanden werden will. Jedoch lohnt sich dieser Aufwand und trägt reiche Früchte, da er nicht nur eine verbesserte Conversion, sondern auch nachhaltig zufriedenere und damit treuere Kundinnen und Kunden zum Ergebnis hat.

Alexa Brandt: Spielt künstliche Intelligenz in diesem Prozess bereits heute eine Rolle? Und wie könnte diese Ihrer Meinung nach in Zukunft noch aussehen?

Thomas Hirschmann: Viele Unternehmen verwenden bereits heute KI, um prädiktive Aussagen über die Wahrscheinlichkeit von Conversion, Churn, Kundenzufriedenheit und vielen anderen relevanten Metriken zu errechnen.

Mit der aktuellen KI-Revolution, insbesondere im Bereich generativer AI und LLMs – also großer Sprachmodelle –, werden komplett neue Welten und Anwendungsmöglichkeiten erschlossen. So zum Beispiel bei der Personalisierung, der Qualitätssicherung, der Wartung, dem Kundenservice oder auch mit Blick auf Innovation und Produktentwicklung. Es bleibt spannend und die Entwicklungen werden in den nächsten Monaten zeigen, welche Unternehmen tatsächlich neuen technischen Entwicklungen und Innovationen gegenüber aufgeschlossen sind und welche als Nachzügler demnächst Gefahr laufen werden, als Teil einer neuen „old economy“ ins Hintertreffen zu geraten.

Alexa Brandt: Ist die Bedeutung der Welcome Journey aus Ihrer Sicht im Mittelstand bereits ausreichend angekommen?

Thomas Hirschmann: Ich bin immer wieder von der Energie und dem Innovationspotential des Deutschen Mittelstands begeistert. Das gilt insbesondere dort, wo sich familiengeführte Unternehmen extrem hohen Qualitäts- und Leistungszielen verschrieben haben und deswegen alles daransetzen, ihren Kundinnen und Kunden in Sachen Kommunikation und Interaktion in jeglichen relevanten Punkten gerecht zu werden.

Trotzdem lässt sich unschwer erkennen, dass sowohl der allgemeine Digitalisierungsgrad als auch das Level an individuellen Erwartungen von Seiten der Kundschaft in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Dem ist mit veralteter Technik und überkommenen Konzepten kaum noch gerecht zu werden. Oft ist ein komplettes infrastrukturelles und methodisches Redesign daher einfacher und schneller als eine punktuelle „Reparatur“ oder der „Austausch“ veralteter Teile einer überkommenen, oft vielfach problematischen und fehlerhaften Customer Journey.  

Wir danken Thomas Hirschmann für diese wertvollen Einblicke.

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Thomas Hirschmann, Gründer und Geschäftsführer von Behavioural Economy und CoreCortex

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